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G7-Gipfel Merkel und Obama lächeln den Spionage-Ärger weg

Harmonie bei Weißwurst und alkoholfreiem Hefeweizen: Angela Merkel und Barack Obama üben zum Gipfelstart den demonstrativen Schulterschluss. Die Spionage-Affäre? Wird ausgeklammert.
G7-Gipfel: Merkel und Obama lächeln den Spionage-Ärger weg

G7-Gipfel: Merkel und Obama lächeln den Spionage-Ärger weg

Foto: CHRISTIAN HARTMANN/ REUTERS

Wenn das Klischee des Deutschen in den USA je einer offiziellen Bestätigung bedurft hätte, in Krün gibt es sie: Ein malerischer Dorfplatz, Trachten, Gamsbärte, Dirndl, weiß-blaue Tischdecken, Blasmusik und Bier - der kleine Ort am Fuße des Karwendel hat alles aufgefahren, was die bayerische Folklore hergibt. Dazu strahlt die Sonne über traumhaftem Alpenpanorama.

Es ist die perfekte Inszenierung, die perfekte Kulisse für das kleine Bad in der Menge, das Angela Merkel gemeinsam mit Barack Obama an diesem Sonntagvormittag noch vor dem offiziellen Start des G7-Gipfels nimmt. Ein Eintrag ins goldene Buch, ein paar freundliche Grußworte, dann ein kleiner Plausch mit Bürgern bei einer zünftigen bayerischen Brotzeit - das gibt schöne Bilder, das ist Harmonie pur. Und genau das ist die Botschaft, die von diesem Ereignis nach dem Willen der Kanzlerin ausgehen soll.

"Diverse Meinungsverschiedenheiten"

Denn ein bisschen Schönwetter tut dem deutsch-amerikanischen Verhältnis in diesen Zeiten gut. Die schwelende Spionageaffäre belastet die Stimmung zwischen Obama und Merkel seit Monaten. Zuletzt wurde bekannt, dass der US-Geheimdienst NSA dem Bundesnachrichtendienst mutmaßlich jahrelang Suchbegriffe, sogenannte Selektoren, unterjubelte, mit denen europäische Partner und Unternehmen ausgespäht werden sollten.

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Foto: Michael Kappeler/ dpa

Keine schöne Sache für die Kanzlerin, die vor einiger Zeit, als der US-Lauschangriff auf ihr eigenes Handy enthüllt wurde, entschlossen verkündete: "Ausspähen unter Freunden - das geht gar nicht."

So etwas sagt Merkel hier in Krün natürlich nicht. Immerhin deutet sie - und das ist bei einem solchen Anlass schon fast mehr, als zu erwarten war - "diverse Meinungsverschiedenheiten" an, die es zwischen Deutschland und den USA in diesen Zeiten gebe.

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Foto: HC Plambeck

Diese aber sollen die Freundschaft nicht trüben. Die Amerikaner, sagt Merkel, seien "ein so wesentlicher Partner, dass wir eng kooperieren, weil wir es im gegenseitigen Interesse brauchen, weil wir es wollen und weil wir gemeinsame Werte teilen". Das klingt nicht überschwänglich. Aber Merkel im Überschwang? Dafür muss schon die deutsche Nationalmannschaft ins WM-Finale einziehen.

Die stärkste Allianz allerzeiten

Obama beherrscht das Spiel mit der demonstrativen Empathie schon besser. Vom Rednerpult vor dem Rathaus aus zieht er alle Register. Er begrüßt die Menschen mit einem "Grüß Gott" - schon dafür erntet er Jubel. Er kündigt an, eine Lederhose kaufen zu wollen, lobt die "unglaubliche Gastfreundschaft", die "unglaubliche Schönheit" des Ortes und die "beste Alphorn-Performance", die er je gesehen habe. Und er sagt, nachdem der G7-Gipfel ja leider nicht mit dem Oktoberfest zusammenfällt: "Es ist niemals ein schlechter Tag für ein Bier und eine Weißwurst."

Dann umschmeichelt der US-Präsident die Kanzlerin. Er würdigt ihre Führungsstärke und Freundschaft und preist die transatlantischen Beziehungen als "unverbrüchlich". Deutschland und die USA hätten eine der stärksten Allianzen, die die Welt je gesehen habe. Sogar eine politische Botschaft für den Gipfel hat er noch parat: Man müsse sich gemeinsam der "russischen Aggression in der Ukraine entgegenstellen".

Dann mischt sich Obama mit Merkel unters Volk, sie schütteln etliche Hände posieren für Fotos, lassen sich Feiertagsornat und Gamsbärte erklären. Die Weißwurst am Tisch isst der Präsident vorsichtshalber mit Messer und Gabel, beim Zuzeln wäre die Unfallgefahr wohl zu groß. Das Weißbier, mit dem die beiden anstoßen, ist alkoholfrei.

Nach einer guten Stunde ist die Show vorbei. Merkel und Obama ziehen sich nach Schloss Elmau zurück zum Vier-Augen-Gespräch. Auch dort, so zumindest wird es anschließend offiziell verkündet, wird der Spionage-Ärger ausgeklammert. Themen seien der Ukraine-Konflikt und die Beziehungen zu Russland, die Nato und das Freihandelsabkommen TTIP gewesen, teilt ein Regierungssprecher mit.

Merkel hatte schon im Vorfeld angekündigt, mit Obama auf keinen Fall über die umstrittene Suchwortliste der NSA sprechen zu wollen. Wegen der steht die Kanzlerin in Berlin unter enormem Druck, die Opposition, aber auch der Koalitionspartner SPD fordern zur Aufklärung Einblick in die Selektoren.

Merkel verweist lieber weiterhin auf das laufende Konsultationsverfahren mit der US-Regierung. Das aber zieht sich nun schon seit Wochen hin, und die Kanzlerin dürfte selbst nicht damit rechnen, dass die Amerikaner die Liste freigeben. Es wäre also Zeit für klare Ansagen, von Seiten der USA, aber auch von Seiten Merkels. Das aber würde die inszenierte Gipfelharmonie empfindlich stören.

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